Ich möchte hier ein paar Gedanken über Begriffe aufschreiben, bevor ich mehr über Adoption nachforsche. Ich möchte sie notieren und in Zukunft sehen, ob sich meine Meinung über sie ändert.
Welche Eltern?
Ich habe mir Gedanken über Begriffe wie leibliche/biologische Eltern und Adoptiveltern gemacht und bevorzuge momentan eher erste Eltern und zweite Eltern. Meine Verbindung zu meinen ersten Eltern ist nicht – oder muss nicht – bloß biologisch sein. Auch können Adoptierte mit diesen Eltern eine Beziehung haben, die über die Geburt hinausgeht. In meinem Fall trifft das nicht zu, aber ich habe ein Bild von ihnen durch Erzählungen, die mich durch meine Kindheit begleiteten.
Es gibt natürlich auch mögliche Probleme mit der Bezeichnung erste Eltern: schließlich waren sie nicht per se meine Eltern, sie haben mich nicht erzogen.
Leibliche Eltern ist weit verbreitet und verständlich, deshalb verwende ich ihn meistens, wenn ich auch manche Implikationen dieses Begriffes beunruhigend finde. So manches Gespräch vor und nach meiner Adoption drehte sich darum, was ich wohl von diesen leiblichen Eltern geerbt haben könnte. Echte Eltern lehne ich vollständig für die ersten Eltern ab. Es stellt meine Adoptiveltern von Anfang als Hochstapler dar, die im Gegensatz zu den echten Eltern zu falschen Eltern werden. Letztendlich würde das auch mich zu einer Lügnerin machen, wenn ich sie Eltern nenne.
Ich finde, dass meine Adoptiveltern mehr sind als gesetzliche Vormunde. Adoption hat sie zu Eltern gemacht, und doch ist ihr Elternsein viel weiter als bloß das. Meine Adoptivmutter hat mich sogar zum Begriff zweite Eltern inspiriert, sie hat schließlich selbst gesagt:
„Deine leiblichen Eltern sind als erstes gekommen, denn ohne sie würdest du nicht existieren.”
Auf der anderen Seite ist diese Durchnummerierung nicht neutral, da sie wie eine Hierarchie sich anhören kann – aber für mich ist es eher eine zeitliche Kennzeichnung: zuerst war ich bei den ersten Eltern (nur kurz), dann im Heim und dann bei meinen zweiten Eltern.
Eltern bietet sich auch an. In Gesprächen mit gleichaltrigen Nichtadoptierten merkte ich, dass Eltern meist Eltern sind. Es sind ältere Menschen, mit denen man zusammenlebt, über die man den Kopf schüttelt, an denen man sich reiben will. In Alltag ist unsere Adoptivfamilie in vielem ähnlich wie andere Familien.
Ein Argument für den Begriff Adoptiveltern ist der, da es genauer ist und sie von Pflegeeltern und leiblichen Eltern unterscheidbar macht. Diese Unterscheidung kann nützlich sein und die Geschichte von Adoptierten und Adoptiveltern sichtbar machen – es wird sichtbarer, dass es auch andere Formen der Familien gibt. Meiner Mutter war es wichtig, nie ein Tabu um meine Adoption entstehen zu lassen. Aus diesem Grund bezeichnet sie sich auch manchmal als Adoptivmutter. Ich habe das auch oft vor Leuten betont, die es notwendig finden, jegliche Unterschiede zwischen Adoptierten und Nichtadoptierte zu verschweigen, um beide auf dieselbe Ebene zu bringen. Ich finde es selbst nicht immer notwendig, mitzuteilen, dass meine Eltern meine Adoptiveltern sind. Wenn ich es allerdings tue, dann tue ich es im Bewusstsein, dass diese Tatsache nichts ändert. Wenn es nichts ändert, kann man es ja ohne Probleme sagen, oder? Der Begriff Adoptiveltern bringt sie begrifflich auch auf die selbe Ebene mit Adoptivkindern und Adoptierte.
Adoptiert oder nicht adoptiert
Über Bezeichnungen über mich selbst habe ich auch schon nachgedacht. Lange war ich ein Adoptivkind, aber es ist klar, dass ich kein Kind mehr bin, aber dennoch adoptiert wurde. Deswegen bevorzuge ich Adoptierte. Manchmal habe ich auch den Satz benutzt: „Ich wurde adoptiert“, anstatt „Ich bin adoptiert.“ Das erste entspricht der Wahrheit und gibt mir manchmal Freiraum für anderes, allerdings sind die Folgen der Adoption noch heute da, die Adoption ist in Wahrheit mit Abschluss des Adoptionsprozesses nicht beendet. Aus diesem Grund benutze ich es gar als Nomen, Adoptierte, zumindest, wenn ich über Adoption spreche.
Ich habe eine Existenz und eine Identität, die über mein Adoptionsstatus hinausgeht, aber ich finde es wichtig, dem Adoptiertsein den rechten Platz einzuräumen. Ich will es mit Stolz sagen können, ansonst bestätigt das meine Vermutung, dass noch viele falsche Vorstellungen über Adoption verbreitet sind.
Als Gegenpol zu adoptiert benutze ich Nichtadoptierte und nichtadoptierte Personen, um über Menschen zu sprechen, die keine eigene Erfahrung mit Adoption haben. Es ist eine Möglichkeit, um normal zu vermeiden.
An diesem Beispiel kann ich zeigen, dass Begriffe hinterfragt, dass Alternativen geschaffen werden können, aber es nicht darüber geht, Begriffe unbedingt zu verbieten. Hinterfragen ist nicht dasselbe wie um- und durchzusetzen. Allerdings kann es Hinweise darüber geben, in welche Richtung es gehen soll. Zudem hat es mir gerade geholfen, das Pro und Contra, oder einfach nur die Begrenzungen verschiendener Begriffsmöglichkeiten zu durchdenken und ich finde, dass ich dadurch die üblichen Bezeichnungen in neuem, positiven Licht mitsamt ihren Begrenzungen sehe.
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